TSCHAJANOW, ALEXANDER WASSILJEWITSCH (1888–1937). MOSKAU

A.W. Tschajanow – eine selten vielseitige Persönlichkeit: Agrarökonom, Pädagoge, Schriftsteller, Historiker, Kunstwissenschaftler, Sammler.

Geboren in Moskau, beendete er 1910 die Petrowsker Akademie für Land- und Forstwirtschaft. Die Ferien 1908 und 1909 verbrachte er im Ausland und machte sich mit der Organisation der Agrarwissenschaft in Italien und Belgien vertraut. Nach Beendigung der Akademie wurde er in die Aspirantur übernommen. Im Jahr 1918 war Tschajanow bereits Doktor der Wissenschaften und Professor der Petrowsker Landwirtschaftsakademie. Im gleichen Jahr wurde auf seinen Vorschlag hin das Komitee zum Schutz der Kultur- und Kunstschätze Russlands geschaffen. Ihm selbst war die große Arbeit zur Rettung der kulturellen Schätze zugeteilt. 1919 leitete er das Wissenschaftliche Forschungsinstitut (NII) für Ökonomie der Landwirtschaft; 1921 bis 1923 war er Mitglied von Gosplan (eingeführt auf Vorschlag von Lenin), des Kollegiums des Narkomsem (Volkskommissariat für Landwirtschaft; 1921–1923) und von Zentrosojus. Seine Schriften wurden in Deutschland, Japan, Indien und China herausgegeben.

A.W. Tschajanow wurde der bedeutendste Theoretiker der landwirtschaftlichen Kooperativen in den Jahren der NÖP, ein Anhänger der Entwicklung der Klein- und Mittelbauernwirtschaft. Seine Richtung bekam den Namen „Tschadajew-Schule“. Aber mit Beginn der Stalinschen Kollektivierung war er als Verteidiger der Interessen des Kulakentums gebrandmarkt, 1930wurde er repressiert in der Strafsache der „Werktätigen Bauernpartei“ und im Herbst 1937 erschossen.

Erhalten geblieben ist das literarische Erbe A.W. Tschadajews. Er ist Autor des Sammelbands von Jugendgedichten („Ljoljas Heft“). In den 1920-er Jahren erschienen sechs seiner Erzählungen, unter ihnen eine fantastische: „Die Reise meines Bruders Alexei ins Land der bäuerlichen Utopie“ (1920), herausgegeben unter dem Pseudonym I. Kremnew.

Zur aktiven literarischen Tätigkeit muss man unbedingt seine Begeisterung für die Archäologie hinzufügen, – oft nahm er an Ausgrabungen teil und untersuchte alte Denkmale. Zu Beginn der 1920-er Jahre hielt er Vorlesungen zur Geschichte der Stadt Moskau, war beteiligt an der Arbeit der Kommission „Altes Moskau“ und der Gesellschaft der Freunde der alten Zeit. Seine Sammlertätigkeiten waren eng verbunden mit der Popularisierung dieser Art seiner Tätigkeit. A.W. Tschajanows Spezialkurs zur Geschichte des privaten Sammlertums weckte Interesse in wissenschaftlichen Kreisen. In den 1920-er Jahren veröffentlichte er den Aufsatz „Antiquare und Sammler des Vergangenen. Die Moskauer Gemäldesammlungen der 20-er Jahre des 19. Jahrhunderts“.

A.W. Tschajanow war ein leidenschaftlicher Bibliophiler, der eine einzigartige Bibliothek zusammen getragen hatte. Sein Sammeln war höchst vielfältig: Ikonen, Bronzen, Graphik und sogar Lebkuchenmodeln. Das Sammeln von Graphiken wurde zu einer ernsthaften Leidenschaft. (Er hat sogar selbst probiert zu gravieren.) Sie begann in Deutschland noch im Jahr 1909 mit dem Besuch von Antiquariaten. Tschajanow ging an jede Sache wie ein gelehrter Forscher heran. Graphik sammelnd begab er sich in die Geschichte ihrer Entwicklung. Im Ergebnis erschien das Buch: Старая западная гравюра. Руководство для музейных работников. Москва, 1926 (Alte westeuropäische Graphik. Kurze Anleitung für die Museumsarbeit), wo er die Graphik nicht nur in ihrer historischen Entwicklung betrachtete, sondern auch eine Reihe wertvoller Informationen für Sammler in spe und für Museumsarbeiter anführte. Er hat Tabellen von Monogrammen europäischer Künstler aufgestellt und gab Empfehlungen zur Aufbewahrung und zum Ausstellen von Graphiken.